Dienstag, 5. November 2013

Hilfe den Helfenden!

Der Gedanke wir müssten anderen Ländern Entwicklungshilfe leisten ist postkolonialistisch, überheblich und nationalistisch! Ganz schön starker Tobak für so nen einleitenden Satz, aber damit habe ich wenigstens eure Aufmerksamkeit und kann euch jetzt erklären, was ich damit meine:
Die Benutzung des unscheinbaren Personalpronomens „wir“ ist schon eine erste Abgrenzung gegenüber den „anderen“. Wir sind Papst, Fußballweltmeister und identifizieren uns zu gerne mit konstruierten Nationalitätszugehörigkeiten. Der Begriff Entwicklungshilfe wiederum unterstellt, dass andere Menschen Hilfe bräuchten um sich zu entwickeln und vor allem dass sie nicht entwickelt sind. Woran macht sich denn nun aber diese Entwicklung fest? An den CO2-Emissionen pro Kopf? An den Waffenexporten? An der Burn-Out-Rate? An möglichst vielen E-Nummern im Essen?
Im Känguru Manifest gibt es dazu auch einen schönen Dialog: „Meine Schwester ist Assistent Director in einer Unternehmesberatung“, sagt Friedrich-Wilhelm „sie sucht nach juristischen Lücken in Arbeitsverträgen, die es den Firmen erlauben Leute ohne Abfindung raus zu schmeißen und nötigenfalls kreiert sie diese.“ „Hm“, sage ich. „Wirklich gut integriert!“, sagt Friedrich-Wilhelm. „Hat sich eigentlich schon jemals jemand gefragt, ob es wirklich wünschenswert ist, dass alle so werden wie wir?“, frage ich.
Ja, es gibt in Mitteleuropa Errungenschaften, die wir gerne mit anderen Menschen teilen sollten wie z.B. Pressefreiheit, Gesundheitsvorsorge, freie Grundbildung, Verbot von Kinderarbeit,... aber auch viele andere Dinge, bei denen wir uns fragen sollten, ob wir sie wirklich anderen Menschen aufzwingen wollen. Außerdem sollten wir uns bewusst machen, dass Entwicklungshilfe meistens auch nationale Wirtschaftsinteressen verfolgt. Dirk Niebel hat das in einem Interview mit dem Handelsblatt (26.07.10) mal erstaunlich ehrlich formuliert: „Im Übrigen ist mein Etat der zweitgrößte Investitionsetat des Haushalts. Von den 6,1 Mrd. Euro sind 4,8 Mrd. Investitionen. Jeder bilateral umgesetzte Euro fließt nach Expertenschätzungen mit 1,80 Euro zurück in die deutsche Exportwirtschaft. Es ist also auch ein großes Eigeninteresse, das in der Entwicklungszusammenarbeit mitspielt.“
Ich als Hobby-Historiker und Pausen-Philosoph sehe zwei Entwicklungen in der Welt: Zum einen wird die Gesellschaft immer offener, toleranter und gewährt uns immer mehr Grund- bzw Menschenrechte. Im Mittelalter durfte man keine roten Haare haben und heute dürfen Menschen ungeachtet ihrer sexuellen Orientierung Kinder adoptieren (naja, bald...). Zum anderen wird die Wirtschaft immer profitorientierter, monopolartiger, entkoppelter von Bedürfnissen und entfremdeter von der Lebenswirklichkeit. Dies beides sehen wir als „Entwicklung“ an zu der andere Länder mittels „Entwicklungshilfe“ auch gezwungen werden sollen.
Wie schaffen wir es nun aber, anderen Menschen zu diesen freiheitlichen Grundrechten und einem Mindestmaß an Wohlstand zu verhelfen, ohne ihnen gleichzeitig unser neoliberales Wirtschaftssystem aufzuzwingen? Diese Frage ist auf meinem Blog vielleicht etwas suggestiv, aber die Antwort lautet natürlich: Bildung! Wieso ich dies denke, ist in einem anderen Post erklärt ( BildetEuchAndereBanden ), mir ging es hier nur darum aufzuzeigen, wieso „Entwicklungshilfe“ der falsche Ansatz ist und dass Menschen selbstbestimmt und emanzipatorisch ihre Probleme lösen müssen, damit langfristige Gerechtigkeit möglich ist. Menschen können sich maximal gegenseitig helfen, die Fähigkeiten dazu zu erlernen.

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