Oder wie es das Känguru formuliert hat: „Die dringlichste Frage, die wir uns als Antiterrororganisation heute stellen müssen, lautet: Wie bringt man die Leute vom Wissen über die Zustände zum Nichteinverstandensein mit den Zuständen?“.
Dieses Problem ist mir
z.B. erst letztens bei Extra 3 wieder klar geworden. Da hat sich Tobi
Schlegl auf den Markt gestellt und Klamotten verkauft wobei sein
Konzept „billig und transparent“ war. Er hat die Menschen darüber
aufgeklärt, dass die Nähte so fein sein, weil Kinderhände das
genäht haben, dass manche Teile Brandflecken haben, weil eine der
Fabriken erst letztens abgebrannt ist und dass die Arbeiter*innen da
16h pro Tag für einen Hungerlohn arbeiten müssen. Aber es war eben
spottbillig! Ihr könnt es euch schon denken, aber die Leute haben
zugeschlagen, als gäbs kein Morgen mehr und auf bitten von Tobi
Schlegl haben sie sogar noch für die Kinder in Bangladesch in die
Kamera gewunken...
Aber das gibt ja auch
in vielen anderen Situationen: Wir wissen wie es Tieren in
Massentierhaltung ergeht und nehmen dies trotzdem billigend in Kauf.
Wir wissen, dass die Privatbanken für ihren Profit über Leichen
gehen und sehen darin doch kein Problem. Wir wissen, dass Frontex
Flüchtlinge auf dem Mittelmeer zurück drängt und nehmen Meldungen
von gekenterten Flüchtlingsbooten nur schulterzuckend zur Kenntnis.
Wir wissen, dass unbegrenztes Wirtschaftswachstum in einer Welt mit
begrenzten Ressourcen nicht möglich ist und hören doch auf die
„Wirtschaftsweisen“. Wir wissen, dass wir schuld am Klimawandel
sind und interessieren uns nicht mal für die neuesten Prognosen. Wir
wissen, dass Deutschland drittgrößter Waffenexporteur ist und stören
uns nicht daran.
Manchmal werden diese
Probleme auch kleingeredet und es wird behauptet, dass es uns so gut
wie nie zuvor gehen würde, ohne dabei zu beachten, dass diese
„Wohlstandsindikatoren“ wie z.B. das BIP selbstreferenzierende
Größen innerhalb des Wirtschaftssystems sind. Ich würde nicht
behaupten, dass ich ein sonderlich pessimistischer Mensch bin und ich
will auch gar keine Probleme sehen, wo es keine gibt. Was ich sehe
ist jedoch, dass sich die meisten globalen Probleme (Hunger,
Aufrüstung, Klimawandel, Flüchtlinge, Armut, Müll, Ausbeutung,...) gerade verschlimmern und irgendwann werden weder spitzfindige
Wissenschaftler, noch mutige Politiker, noch der bisher ziemlich
einfallsreiche Kapitalismus in der Lage sein, diese Probleme zu
lösen.
Manchmal komme ich mir
schon wie ein esoterischer „The end is near“-Prediger vor, aber
dann mache ich mir klar, dass mehrere Organe der UNO, Martin
Sonneborn, unzählige Umwelt-, Menschenrechts- und
Friedensinitiativen oder der Club of Rome genau die gleichen Probleme
sehen und mehr oder weniger erfolgreich lösen wollen.
Aber warum nimmt ein
Großteil der Menschen diese Ungerechtigkeiten einfach so hin? Sind
wir schon so abgestumpft, dass wir diese Infos und Meldungen nicht
mehr wahrnehmen? Verdrängen wir das bewusst oder unbewusst? Reden
wir uns entschuldigend ein, an den Zuständen ja doch nichts ändern
zu können? Sehen wir die Probleme nicht, weil wir mit Fast Food und
Bundesliga ruhig gestellt werden? Oder ist es die „Scham über die
Teilhabe am universellen Unrecht, die übermächtig würde, sobald
man zu verstehen sich gestattete“? Also ernsthaft, wenn hier jemand
Psychologie, Soziologie oder Astrologie studiert und eine Antwort auf
diese Frage hat, dann bitte her damit.
Bis wir wissen, wie wir
von der Wissens- zur Dissensgesellschaft kommen, sollten wir jedoch
dafür sorgen, dass möglichst viele Menschen überhaupt erst mal
Zugang zur Wissensgesellschaft haben.
Guter Artikel!
AntwortenLöschenÜbrigens: Wirtschaft ist zunächst nichts schlechtes, Raubtier-Wirtschaft (oft in der Finanz-Wirtschaft zu finden) hingegen schon.
Hallo zusammen. Wo finde ich den die oben zitierte Stelle in den Känguru Büchern, also wie heißt das Kapitel in denen es vorkommt?
AntwortenLöschenVielen Dank