Samstag, 13. Oktober 2012

Die Lichter der Großstadt 2


Ich kann im Flugzeug einfach nicht schlafen! Vor allem, wenn es so spannende Dinge wie Gewitter, Leere oder die Straße von Gibraltar von oben zu sehen gibt... Und hier in Brüssel (wo ich diesen Post gegen 6Uhr morgens gerade verfasse), gibt es nur diese pennerunfreundlichen Bänke mit festen Armlehnen. Also nutze ich die Zeit und fasse meinen letzten Tage zusammen:
Die Lehrerfortbildung und vor allem der letzte Tag waren noch mal richtig toll! Donnerstag mussten wir noch ganz viel organisatorisches Zeug erledigen, Zertifikate ausstellen, Evulationsbögen erstellen und Freitag waren wir noch mal in Monrovia. Zu erst hat mir Wilfred das Nationalmuseum gezeigt und nun ja, es war auf jeden Fall einen Besuch wert! Es war zwar klein, dunkel, dreckig und die wenigen erklärenden Hinweise waren mit Tesa teilweise direkt an die Ausstellungsstücke geklebt, aber dafür waren die Exponate selbst sehr... interessant. Es gab ganz viele traditionelle Masken der liberianischen Stämme, die diese zur Identifikation benutzt haben und Tatsache: Die sahen wirklich alle individuell aus! Dann gab es aber auch so banale Dinge wie den linken Schuh irgendeines liberianischen Präsidenten und direkt daneben die Gründungsurkunde Liberias. Besonders beeindruckend fande ich eine Fotoausstellung zum Bürgerkrieg, die den ganzen Schrecken, das ganze Leid aber auch die vielen Hilfsmaßnahmen und die Solidarität in der Bevölkerung gezeigt haben.
Danach sind wir auf den Großmarkt gefahren und auf dem Weg dorthin ist mir der erfreulich unkomplizierte, um nicht gar zu sagen demokratische, Umgang mit der StVO aufgefallen: Wenn auf der 4-spurigen Hauptstraße Stau in Richtung Innenstadt ist, werden eben 3 Spuren stadteinwärts und nur eine stadtauswärts genutzt – auch ein Vorteil von fehlender Fahrbahnmarkierung. Der Markt selbst war eine Lawine von Sinneseindrücken unterschiedlichster Art. Vom Fleisch- und Fischmarkt (bei schwülen 30°C), über die Frucht- und Gewürzstände, den bunten Stoffen und kitschigen Gebrauchsgegenständen aus buntem Plastik, bis hin zu exotischen Gemüse und Süßkram, den ich ja alles probieren musste. Wilfred hat mir dann auch eingeredet, dass ich ne Koka-Nuss mit ihm essen muss und das war keine so gute Idee. Die war schrecklich bitter und ich hatte den ganzen Tag Angst, dass ich davon auf der Rückreise Durchfall bekomme – war aber nicht der Fall!
Frisch eingedeckt mit allerlei Mitbringsel, exotischem Essen und Souveniers, ging es wieder zurück zu Wilfred, wo ich mich von der großen Familie (also allen „brothers“ und „sisters“) verabschiedet habe und dann haben mich Shirley, Prince und Wilfred zum Flughafen gebracht. Auf dem Weg dorthin habe ich noch mal alle geografischen und klimatischen Highlights Liberias erleben dürfen. Beim Abschied musste ich Wilfred versprechen, dass wir uns bald wiedersehen, was mir nicht sonderlich schwer gefallen ist, denn entweder werde ich ihn bald wieder besuchen oder ihn mal nach Deutschland einladen.
Mein Eindruck vom Flughafen war vor allem kalt! Aber auch in vielen anderen offizielleren Gebäuden ist mir schon aufgefallen, dass die stark unterklimatisiert sind. Wilfred meinte, dass das für die so eine Art „First World“ Standard ist. Naja, dann sollten die sich lieber ein gebührenfreies Bildungssystem als Standard setzen und nicht den sowieso schon so spärlich vorhandenen Strom für sowas verschwenden. Ansonsten gab es im Flughafen überteuerte Souvenirs und einen kurzen Sprint durch den Starkregen zum Flugzeug.
Beim Abflug aus Ghana vor 2 Jahren habe ich – wie der geneigte Leser sicher noch weiß – über die Lichter Accras philosophiert: bunt, verschiedenfarbig, chaotisch aber doch einladend, sympathisch und wunderschön! Liberia bei Nacht von oben ist einfach nur dunkel. Hier und da erkennt man ein Feuer oder ein Motorradlicht, aber ansonsten ist es wirklich stockdunkel. Als ich dann gerade im Landeanflug auf Brüssel diese ganze hellbeleuchtete Metropolenregion gesehen habe, kam ich mir vor wie bei einer Zeitreise in eine futuristische Zukunftsstadt. So doof das klingen mag, aber diese ganzen gleichen, symmetrischen Straßenbeleuchtungen, Industrieanlagen und Innenstädte hatten echt was von Science Fiction.
Ach ja: Bei Brussels Airline sind die Durchsagen erst auf Belgisch, dann Englisch und dann Französisch und ich verstehe die französischen Durchsagen fast am besten. Das liegt entweder an meinen überragenden Französischkenntnissen oder einfach am schrecklichen belgischen Englisch... Durch dieses Spracherlebnis beflügelt wollte ich mir gerade auf Französisch nen Tee bestellen, nur entweder hatten die keinen Kräutertee, oder es gibt das Wort „the herbale“ nicht. Ich habe dann die erstbeste Alternative genommen, die mir der Typ angeboten hat und den Preis hat er mir dann auch auf Englisch genannt... Dieser Tee war zwar der teuerste (3€ für 0,2l) und schlechteste Tee, den ich jemals getrunken habe (außerdem habe ich im Nachhinein festgestellt, dass es Lipton und damit Unilever war...), aber ich habe ihn auf Französisch bestellt!
Ich sitze immer noch in Brüssel, die Sonne ist mittlerweile aufgegangen und das Boarding für den Flug nach Frankfurt beginnt gleich. Wenn ihr diesen Post lest, bin ich in Heidelberg angekommen und hole wahrscheinlich gerade Schlaf nach.

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