Dienstag, 28. September 2010

VISA - die Freiheit nehm ich mir... nicht!

Erinnert ihr euch noch an die VISA Werbung von vor ca. 15 Jahren, wo eine Nonne zu spät zur Abfahrt des Klosterausflugs kommt, sich dann mit ihrer VISA Karte ein Cabrio mietet und dann total lässig und winkend am Bus mit den anderen Nonnen vorbeifährt?! Tja, das sind prägende Erlebnisse für einen 6 Jährigen und damals wollte ich dann unbedingt eine VISA Karte haben. Jetzt habe ich seit 2 Monaten eine VISA Karte und konnte damit in Ghana immer und überall problemlos und gebührenfrei Geld abheben - aber das sollte sich ändern! Es folgt nun die chronologische Zusammenfassung der letzten Tage und ihr könnte ja mal zählen, wie oft darin das Wort "VISA" vorkommt:
VISA VISA VISA - nur ein Test...

Freitagmorgen war ich in der Schule und habe Mathe unterrichtet. Danach... ne ich muss weiter ausholen: Wir haben ja hier das Mothers' Skill Training Center, wo alleinstehenden Müttern u.a. Nähen beigebracht wird. Die dort produzierten Textilien versuchen wir dann in Europa zu verkaufen und mit dem Erlös werden wiederrum die Mütter und ihre Familien unterstützt. Tamara (eine frühere Freiwillige) will mit ihrer Schule auf dem Weihnachtsmarkt Taschen und Kleidung der Mütter verkaufen. Dazu musste sie uns erstmal das Geld schicken, damit wir die Materialien einkaufen können und der einfachste und billigste Weg war über meine VISA Karte. Also hat sie mir 250 Euro überwiesen und ich bin dann Freitagmittag mit Mr. Rogers auf den Markt in Kasoa gefahren, denn freitags ist dort Markttag und da ist auch der nächste Geldautomat.
Leider konnte ich am ersten Automaten kein Geld abheben, sondern bekam die Fehlermeldung "Your issuer has declined your transaction", womit ich nicht viel anfangen konnte. Die zweite Bank hat keine VISA Karten akzeptiert, die dritte Bank hat mir die Fehlermedlung wenigstens auf einen Beleg gedruckt und die vierte Bank hatte immerhin Schalter, wo man nachfragen konnte. Die Frau war zwar ganz nett, aber konnte es auch nur auf "networkproblems" schieben und ich solle es doch den nächsten Tag nochmal versuchen. Dazu sollte man sagen, dass nur 2 Mal die Woche Markttag ist und diese Bestellung ziemlich dringend ist, denn bei einem Monat Versand ist ja schon bald Weihnachten...
Freitagabend habe ich dann versuchsweise mein "German Meal" gekocht. Ich habe meinen Leuten hier nämlich versprochen, ihnen mal was Deutsches zu kochen, werde es auch Morgen tun, aber wollte es am Freitag mal ausprobieren. Spaghetti könnte ich gut, ist aber weniger Deutsch. Seitan ist toll, aber hier gibt es kein Paniermehl. Kartoffeln sind typisch deutsch. Nach diesen Überlegungen habe ich mich dann für Gulasch mit Kartoffeln entschieden (ist zwar auch nicht typisch deutsch, aber das wissen die ja nicht und dabei konnte ich wunderbar den Seitan unterbringen). Auf jeden Fall ist Antony jetzt ein totaler Seitanfan und hat zum ersten Mal saure Gurken gegessen (Wüsste einer von euch, was "Saure Gurken" auf Englisch heißt?^^). Morgen dürfen sich also die anderen über Gulasch freuen.

Samstag bin ich nach Accra gefahren, weil ich noch einige Geschenke für meine Freunde hier und Souveniers für den ein oder anderen Leser gebraucht habe. Außerdem habe ich am Samstag bei 10 verschiedenen Banken und 20 verschiedenen Geldautomaten versucht, Geld mit meiner VISA Karte abzuheben. Es gab zwar teilweise exotischere Fehlermedlungen, aber immer noch kein Geld. Die nächste Frau in der nächsten Bank hat auch wieder das Wort "networkproblems" in den Mund genommen, was mich aber nicht sonderlich beruhigt hat. Ich habe dann meine Shopping Tour auch etwas eingeschränkt, weil ich ja nicht wusste, wie lange mein Geld noch reichen muss.
Samstagabend kam mich dann Jonathan besuchen, den ihr schon kennen solltet, weil er mir dieses tolle Leuchtphänomen am Strand gezeigt hat. Jonathan hat Politikwissenschaften studiert und seine Bachelorarbeit über die Situation von Flüchtlingen geschrieben, weshalb er es total spannend fande, als ich von meiner Arbeit hier erzählt habe.

Am Sonntag sind wir dann erst in die Kirche gegangen und nachmittags hat uns Wilfred das Flüchtlingslager gezeigt. Selbst ich fande es nach 2 Monaten noch interessant und Jonathan hat sich offensichtlich auch über diese Möglichkeit gefreut, sich mit so vielen Flüchtlingen zu unterhalten.
Sonntagabend hatten wir dann ein wichtiges Treffen, bei dem wir entschieden haben, welche Lehrer wir nach den Bewerbungsgesprächen nehmen wollen. Zumindest war das der eigentliche Grund des Treffens, aber es gab noch viele andere Probleme zu lösen... Bei den Lehrern haben wir uns erstmal darauf geeinigt, dass wir alle Bewerber einen Monat auf Probe einstellen und uns danach endgültig entscheiden.

Montagvormittag habe ich dann Jonathan mit in die Schule genommen und wir haben uns mal alle Klassen angeguckt, ein paar Fotos gemacht und der arme Jonathan musste sich in jeder Klasse vorstellen. Das war übrigens mal wieder ein sehr organisierter Tag in der Schule und der Besuch war somit nicht nur eine tolle Erfahrung für Jonathan, sondern auch ein Ansporn für die Schule (und eine gute Möglichkeit für mich, mein Deutsch mal wieder zu trainieren).
Danach haben wir Mr. Bah besucht, von dem ich Jonathan (und euch?!) schon viel erzählt hatte. Es macht wirklich Spaß, Mr. Bah zuzuhören und er kann wirklich gut erklären. Jonathan war auch beeindruckt, den ehemaligen Bildungsminister von Liberia zu treffen und wir fanden es beide richtig toll, als wir dann eine eineinhalbstündige Geschichtsstunde von Mr. Bah über die Gründung und Entwicklung von Liberia bekommen haben.
Nach einigen weiteren Besuchen und Treffen mit verschiedenen Leuten habe ich Jonathan nach Kasoa gebracht, wo er einen Bus zurück nach Cape Coast gefunden hat und ich mich nochmals mit den Geldautomaten rumgeärgert habe: Von den 3 Automaten, die eigentlich meine VISA Karte akzeptieren, wollte mir keiner Geld und nur einer eine gedruckte Fehlermedlung geben. Also viertägige "networkproblems"?! Das hat mich dann schon etwas angepisst, zumal ich echt nur noch 50 Cedi habe und den Lehrern und Kindern in der Schule am letzten Tag eigentlich ein gemeinsames Essen versprochen habe (was ca. 40 Cedi kostet...). Ich bin dann also schnell ins nächste Internetcafe gegangen und habe der DKB das Leid mit meiner VISA Karte geklagt. Die erste Antwort kam schnell, war aber total doof, denn ich sollte die 4 letzten Stellen meiner VISA Karte, Ort, Datum, Betrag, Uhrzeit und Name des Kreditinstituts angeben - was bei ca. 30 Versuchen etwas schwierig ist. Die zweite Antwort kam genau so schnell und dafür haben die keine einzige dieser vorherigen Angaben, sondern nur meinen Namen gebraucht: Meine Kreditkarte ist gesperrt!

Heute war ich morgens in der Schule und war wieder überrascht, wie organisert es zuging! Es waren genug Lehrer da, die Kindern waren in ihren Klassen und hatten sogar teilweise Hefte dabei - unglaublich! Wir hatten auch einen neuen Lehrer da, der sich noch nachträglich beworben hat und der Rektor hat mich gebeten, mich in seinen Unterricht zu setzen. Daran könnte ich mich wirklich gewöhnen, Lehrer beim Unterrichten zu beobachten, ihnen Tipps und Verbesserungsvorschläge für den Unterricht zu geben und danach einen kleinen Report an den Rektor zu schreiben.
Danach hatten wir ein Meeting mit Mr. Bah und da Wilfred mal wieder zu spät kam, haben wir erst ne knappe Stunde über effektive Entwicklungshilfe diskutiert und waren uns dann einig, dass Bildung der Schlüssel zu einer besseren, gerechteren Welt ist (wobei das Matteo und ich ja schon vor 3 Jahren festgestellt haben)!
Mittags habe ich mich dann wieder mit den VISA Karten Heinis bei DKB rumgeärgert! Ich habe ihnen schon geschrieben, dass ich zur Zeit in Ghana bin und bis Morgen unbedingt nochmal Geld abheben muss. Ihre Antwort per Mail war dann, dass sie mich telefonisch (auf meiner deutschen Handynummer) nicht erreichen konnten und sie mir deshalb einen Brief (an meine deutsche Adresse!) geschickt haben - Alter! Irgendwie kapieren die das Problem nicht und ich kann von hier leider auch nicht der ihre teure Servicenummer anrufen. Außerdem weiß ich immer noch nicht, wieso meine Karte überhaupt gesperrt wurde und werde ihnen einen Hass- oder gar Drohbrief schreiben, wenn die das nicht auf die Reihe bekommen!
Bisher haben sie sich nicht nochmal gemeldet und meine Sparkassen EC Karte will auch niemand akzeptieren und ich glaube auch nicht mehr, dass das noch was wird...



Es war übrigens ein Fehler, auf Yannik zu hören und die Posts so schrecklich kurz zu verfassen, denn es gibt noch so viele Dinge, von denen ich euch noch gar nicht ezählt habe, zum Beispiel:
  • Das Tro-Tro mit der schweizer Mautplakette von 1972
  • Der Sternenhimmel über Ghana (Ich habe eigentlich klare, dunkle Nächte erwartet, aber die Milchstraße nur einmal während eines Stromausfalls gesehen. Dafür habe ich aber in den ersten Augusttagen das Kreuz des Südens sehen können!)
  • Das Lagerfeuer am Strand
  • der Gecko in meinem Handtuch (und heute hinter meinem Kulturbeutel)
  • Der Chef des "Neighbourhood Watch Teams", der 2008 und 2009 Schauspieler des Jahres in Liberia war
  • Der Tag, an dem ich 3 Mal auf Hitler angesprochen wurde (und sont nie, wobei man als deutscher im europäischen Ausland ja ständig auf Adolf angesprochen wird)
  • Die Brandenburg'sche Festung
  • Mr. Bahs Report an die ghanaische Regierung
  • ... 

Das war zwar mein letzter Post aus Afrika, aber sicher nicht der letzte Post in diesem Blog (klingt wie ne Drohung...), denn es gibt ja noch zwei Tage und eine Rückreise zu erleben. Außerdem habe ich noch einige Handyfotos, die ich erst zu Hause digitalisieren kann. Aber trotzdem schon mal vielen Dank für das Interesse, die vielen (teilweise sinnvollen) Kommentare und das tolle Feedback.

3 Kommentare:

  1. na nun mal ganz ehrlich, Kreditkarten werden aus unterschiedlichsten Gründen gesperrt und in der Regel solltest du da auch ganz froh drüber sein. Dein Anspruch erscheint mir da etwas naiv.
    1. es liegt Missbrauchsverdacht vor
    2. du hast einfach deinen Kreditrahmen überzogen
    3. es gibt sonstige ungereimtheiten und zu deinem schutz wird dichtgemacht.
    da können dann auch ViSA Heinis nicht viel dafür. Post an die heimatadresse ist in der tat peinlich - da helfen nur weitere mails mit dem hinweis, wie man dich erreichen kann! Einfach so freischalten würde ich mir verbitten, dass könnte dann ja auch jeder Finder Deiner Karte...

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  2. Mag ja sein, dass solche "Sicherheitsvorkehrungen" sinnvoll sind, aber nicht in meinem Fall: Meine VISA Karte wurde gesperrt, weil damit regelmäßig über eine längere Zeit in Ghana Geld abgehoben wurde! Ja was denn sonst?! Ich bin ja froh, dass mich dann noch eine nette Frau angerufen und das Problem geklärt hat, aber seltsam fande ich schon. Warum dürfen die sich überhaupt meine Kontoauszüge angucken und warum haben die mich nicht informiert?
    Aber es ist ja alles noch mal gut gegangen...

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