Montag, 16. August 2010

Zur flaschen Zeit am falschen Ort

Ich glaube, dieser Spruch hat noch nie so gut gepasst wie letzten Samstag: Der Tag hat ja ganz gut angefangen: Ich bin mit dem Trotro nach Accra gefahren und habe auch alleine zum Strand gefunden. Da gab es dann auch einen alten Sklavenhandelsplatz zu besichtigen und ich habe auch die ersten Fotos gemacht. Dabei hat mich dann aber gleich der erste gefragt, warum ich hier Fotos mache und das gehe nicht, weil das mal ein Gefaengnis war. Nun gut, der Reisefuehrer hat auch gesagt, dass man mit Fotos von Staatseinrichtungen vorsichtig sein muss. Nun gut, also habe ich das Fotografieren sein gelassen, aber der Reisefuehrer wird noch wichtig: Dieser Reisefuehrer hat mir naemlich auch gesagt, dass es weiter an der Kueste entlang die "Christansborg" gibt. Angeblich auch so ein alter Sklavenhandelplatz, den sich Touristen angucken koennen. Pustekuchen, aber lest selbst:
Ich laufe also vom Unabhaengigkeitsbogen eine schoene lange Strasse zur Christansborg (die wird mit o geschrieben, weil wegen ehemals hollaendisch und so) und freu mich ueber die schoene Allee und die wenigen Leute. Zu meiner rechten war eine schoene Wiese mit "betreten verboten" und "restricted area" schildern, die natuerlich nur fuer den Rasen gelten - dachte ich. An den Christansborg angekommen hat mich gleich einer von vielen Polizisten empfangen und gefragt, was ich hier mache. Ich sagte, ich wolle die Burg sehen und er sagte, ich habe sie ja jetzt gesehen und soll wieder gehen. Nun gut, ich etwas angepisst, laufe die Strasse ein Stueck zurueck und setze mich da unter einen Baum um eine kleine Pause zu machen und hier beginnt die Geschichte: Neben mir haelt ein grosses Auto mit einem Mann darin, der mich fragt, was ich hier mache.
Phase 1: Ich dachte, dass sei ein Stadtfuerer, der mir die Stadt oder zumindest den Weg zu der naechsten Sehenswuerdigkeit zeigen will. Er sagte dann, ich soll zu ihm ans Auto kommen und als ich mit einem "Thank you" ablehnte wurde er etwas boese und sagte, das sei ein Befehl!
Phase 2: Also doch kein Touristenfuehrer, aber wer dann und was will er von mir? Er hat sich bis zum Ende nicht vorgestellt, aber wartet ab... Er wollte also meine Genehmigung sehen hier zu sein und naja mein Pass mit Visum lag in meinem Zimmer ca. 50km entfernt. Da ich dachte, es sei einfach ein besorgter Buerger, hab ich ihm mal meinen Perso gegeben. Dann wurde er aber etwas sauer, weil mein Perso nunmal kein Visum enthaelt und ich habe ihm erklaert, dass mein Visum im Gaestehaus in Buduburam ist. Ungefaehr in dem Moment habe ich dann auch die Waffe in seinem Auto gesehen. Also sie war nur relativ klein, aber so ein schicker Mann in so einem teuren Auto wird keine Spielzeugpistole neben seinem Fahrersitz haben.
Phase 3: Ich wusste also, dass ich gerade nicht so viel machen kann, ausser moeglichst nett und hoeflich zu sein, was einem aber schwerfaellt, wenn man von einem bewaffneten Mann angeschrien wird. Und ich wusste, dass der Mann sehr einflussreich ist, denn er hatte ein teures Auto, 5 Handys von denen 3 wehrend unseres Gespraeches geklingelt haben (und er ist natuerlichran gegangen). Ein Drogenboss? Der mich als Kurier fuer Drogen nach Deutschland abrichten will? Klingt verlockend - zumindest verlockender als
Phase 4: Der Mann wollte mich zur Polizei bringen, um meine Personalien und mein Visum checken zu lassen. Ich wusste aber nicht, was die Polizei dann machen wuerde und vor allem wie lange das dauern wuerde. Ausserdem wusste ich ja nicht mal, was ich falsch gemacht hatte, denn (ich habe es auch spaeter bestaetigt bekommen) man muss sein Visum nicht dauernd bei sich haben. Der Mann hatte eine Waffe und wollte mich zur Polizei bringen, ich hatte Hunger und wollte Accra besichtigen. Natuerlich hat der Mann gewonnen und ich musste zu ihm in den Wagen steigen. Ironischer Weise sind wir dann zurueck zu der Christansborg gefahren. Warum ironisch? Tja, mein Vergehen war es, dass ich in einer "restricted area" war, wo ich also nicht haette sein duerfen und anstatt dass der Mann oder schon der Polizist vorher mich aus diesem gebiet geleitet haetten, wurde ich also in die Christansborg gebracht. Die Polizisten haben dem Auto bzw. dem dicken Mann neben mir auch richtig salutiert und jeder hat ihn sehr ehrfuerchtig begruesst. Wie sich spaeter herausgestellt hat und wie ich mir in dem Moment dachte, war es ein sehr hohes Tier bei der Polizei in Accra...
Phase 5: Zum Glueck wurde ich der Polizei uebergeben und der boese Mann ist weg gefahren. Die hat dann erst mal meine Personalien aufgenommen und meinen Rucksack und Fotos angeguckt (zum Glueck nichts Verdaechtiges...) hat. Aber anstatt, dass man da einer gutaussehenden Polizeikommissarsanwaerterin die Personalien und den vorfall diktiert, musste ich das alles selber schreiben. Also schon 3 Verbrechen: Kein Visum dabei, verbotenes Gebiet und grottenschlechtes Englisch! Aber die Polizisten waren eigentlich ganz nett zu mir, nur dass ich da eigentlich immer noch nicht wusste, das ich verbrochen habe. Die haben dann auch meine Leute im Camp angerufen, welche dann natuerlich etwas schokiert waren. Zwei meiner Freunde haben sich dann auch gleich auf den Weg nach Accra gemacht (nachdem sie die Tuer zu meinem Zimmer aufgebrochen haben um an meinen Reisepass zu kommen).
Phase 6: Ich war immer noch in der Christanborg und sollte in ein Polizeirevier gebracht werden, wohin meine Freunde dann meinen Perso bringen sollen. Ich wurde also von 2 Polizisten dort hin gefahren und die waren wirklich nett: Die haben mit mir ein kleines bisschen Sightseeing gemacht und mir auch erklert, wo das Problem lag: der verbotene Wald - also die restricted area! Also habe ich ihnen versucht, meinen Reisefuehrer zu uebersetzen, aber sie meinten, dass das eigentlich Problem der dicke Mann vom Anfang war, der einfach verdammt viel Einfluss hat und will, dass ich meine Lektion lerne. Also wurde ich zur Polizei gebracht mit der Aussicht, dass ich wieder gehen kann, wenn die meinen Reisepass mit Visum gesehen haben.
Phase 7: Warten! Gegen 14Uhr war ich im Polizeirevier und meine Freudnde haben etwas gebraucht. Aber es war echt komisch: Da waren zwei Zellen (also wirklich wie im Kino so mit Metallstaeben und dunkel und dreckig) eine fuer Maenner und eine fuer Frauen. Die fuer Frauen war leer, die fuer Maenner ziemlich voll. Aber es war wirklich komisch, dass ich nicht zu den anderen (schwarzen) Maennern in die Zelle musste, sondern auf eine Bank gesetz wurde. Das war sehr viel gemuetlicher und sauberer, aber doch grotesk: Wir Weissen haben die schwarzen ueber hunderte Jahre unterdrueckt, ausgebeutet und wie Dreck behandelt und jetzt kommt so ein weisse Krimineller zur Polizei und wird hofiert und bekommt Wasser angeboten. Aber ich bin ja nicht so und habe mein restliches Brot mit den anderen Gefangenen geteilt und mich auch ganz nett mit denen unterhalten - also wirklich! Aber die Zeit war trotzdem sehr lang! An dieser Stelle danke an meinen Papa, der mich regelmaessig angerufen hat und sich warscheinlich mehr Sorgen gemacht hat, als ich mir slebst.
Phase 8: Nach 4h kamen dann meine Freunde mit meinem Reisepass und wir mussten nur noch auf den Revierchef warten - nur noch! Nach ca. 5h und einer Belehrung, wo ich in Accra hin darf und wohin nicht war ich dann wieder ein freier Mann!

Also ernsthaft: Wenn ich eine Stunde frueher oder spaeter dort gewesen waere, oder mich nicht unter diesen Baum gesetzt haette, haette es niemanden gestoert. Aber nein, ich muss ja diesem boesen, dicken Mann begegnen, der nichts besseres zu tun hat! Nun ja es war auch eine ganz nette Erfahrung und naechstes Mal nehme ich wieder Wilfred mit!

Leider habe ich aber immer noch keinen Briefkasten oder geoeffnetes Postoffice gefunden, somit muss das Gewinnspiel noch etwas auf sich warten.

Aber ich habe in Accra den Kunstmarkt fuer mich entdeckt: Kunst ist etwas uebertrieben - "schoener Kitsch fuer Touristen" trifft es besser, aber es ist echthuebsch da und nicht so viel los, wie sonst ueberall! Diese Woche widme ich mich dann mal wieder den Projekten und der Schule. Lest mehr davon die naechsten Tage.

2 Kommentare:

  1. Heftig. Da hast du es ja wieder geschafft innerhalb von ein paar Wochen in mehr Probleme zu kommen als ich in nem knappen Jahr! Also ich schieb auch die Nummer mit den Polizisten, die uns mal am Aulendorfer Bahnhof geweckt haben, ab sofort auf dich! Du Unruhestifter, du!

    War dir denn klar, dass der Dicke von der Polizei ist, oder hast du erwartet als hübscher weißer Jüngling als Liebessklave gegen Kamele oder Muscheln getauscht zu werden? Wäre auf jeden Fall der bessere Blogeintrag gewesen. Mensch! Du musst halt auch mal an die Leserschaft denken.

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  2. Spaetestens am Ende von Phase 4 habe ich dann kapiert, dass ich es mit Chief Wiggum zu tun hatte - nur motivierter!

    Die Polizisten in Aulendorf haben uns ja wenigstens weiterschlafen lassen!

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